Autor: Berthold Fege
Dr. sc. Berthold Fege (Jahrgang xxxx) kam nach seinem Studium an der Humboldt-Universität zur Hochschule für Ökonomie und wurde Assistent beim Nestor der Territorialökonomie der DDR, Prof. Dr. G. Schmidt-Renner. Er wurde später Oberassistent, dann zum Dozenten berufen und im Jahre 1990 zum Direktor des Institutes für Raumordnung und Umweltökonomie (IRU) gewählt.
Mit der Schließung der Hochschule zugleich verbunden war auch die Abwicklung der einzigen in der DDR existierenden Hochschuleinrichtung für Raumordnung und Umweltökonomie (Territorialökonomie und –planung).. Das Institut gehörte zu den wenigen wissenschaftlichen Unikaten der Hochschule, das eigentlich zu erhalten gewesen wäre. Darüber haben sich die damaligen politischen Entscheidungsträger, Frau Riedmüller als Wissenschaftssenatorin und die Herrn Kremendahl und der dann in der neuen Landesregierung folgende Wissenschaftssenator Erhardt keine Gedanken gemacht. Man hätte zumindest auf der Grundlage der ihnen zugesandten wissenschaftlichen Konzepte eine Evaluierung vornehmen können. Aber nichts dergleichen!
Die Quintessenz aus all dem war, dass ich in meiner Verantwortung als Direktor des Institut für Raumordnung und Umweltökonomie – zusammen mit einigen meiner Institutskollegen und einigen externen Fachkräften – den Versuch unternahm, – parallel zu den weiter laufenden Bemühungen zur Erhaltung der Hochschule – Wege auszuloten, das Institut – in welchen Formen auch immer – zu erhalten. In Verbindung und mit Unterstützung einiger Fachkräfte aus anderen Institutionen auf dem Gebiet der Raumordnung gelang es jedoch nicht, diese Entscheidung zu verhindern, obwohl es im Artikel 38 des Einigungsvertrages heißt: „(1) Wissenschaft und Forschung bilden auch im vereinten Deutschland wichtige Grundlagen für Staat und Gesellschaft. Die notwendige Erneuerung von Wissenschaft und Forschung unter Erhaltung leistungsfähiger Einrichtungen………….“ ist zu sichern, und zwar durch den Wissenschaftsrat bis 31.12.1991. Und auf der Kulturministerkonferenz vom 4. Oktober 1990 hieß es weiter: „Bildung und Kultur sind jetzt entscheidende Faktoren beim inneren Zusammenwachsen der bisher getrennten Teile Deutschlands“.
Bei der Erarbeitung von Konzeptionen wurde eine wichtige Erkenntnis aus der langzeitigen Ausbildung an der HfÖ umgesetzt, und zwar die Ausbildung in Raumordnung und Umweltökonomie als Spezialisierungsrichtung aus einer breiten Ausbildung in VWL zu sichern. (im Gegensatz zu ähnlichen Ausbildungen an Hochschulen Deutschlands, an denen es gesonderte Ausbildungen in Regionalplanung gab und gibt)).
Parallel dazu gab es weitere wichtige Aktivitäten des Instituts. Weiter galt unser Augenmerk der Verstärkung der Außenwirkung durch Teilnahme an externen Fachdiskussionen und Seminaren auf Bundes und Landesebene, durch Teilnahme an landesweit angebotenen vielen Weiterbildungsmaßnahmen sowie Unterstützung der Aus- und Fortbildung in den vielen neu geschaffenen Institutionen auf diesem Gebiet, die aktive Mitwirkung an zentralen Veranstaltungen des Bundes und der Länder bei der Zusammenführung von Raumordnung und Territorialplanung (Fachseminare in Ulm, Kronach, Bonn, Berlin, Magdeburg und Hamburg, Chemnitz). Es waren viele parallel laufende Aktivitäten. Es entstanden auch in kurzer Zeit zahlreiche Publikationen in der Herausgeberschaft von Dr. Fege sowie Institutskollegen 1991/1992 und dann in der Folgezeit.
Deshalb war im I. Halbjahr 1990 und in den Folgemonaten die Arbeit im Institut darauf gerichtet, den wissenschaftlichen Gegenstand des Instituts zu vertiefen bzw. z. T. neu zu profilieren. Wichtig dabei war die Neubestimmung der Lehrstühle.(Alleinstellungsmerkmal in dieser Struktur: Lehrstühle für Raumplanung und Standortplanung, für Regionalplanung und kommunale Entwicklungsplanung, für volkswirtschaftliche und regional orientierte Umweltökonomie).
Nachfolgend nun die ausgewählten Aktivitäten mit entsprechenden Konzepten in diesem Arbeitsprozess:
November 1989: Erste Vorstellungen zur Neugestaltung der Territorialplanung in der DDR auf der Grundlage der Regierungserklärung vom 17.11.1989 | |||||||
Dezember 1989: Positionspapier: Zum Wissenschaftsprofil der Hochschule für Ökonomie mit Struktur der Wissenschaftspotentiale, so in den großen Bereichen | |||||||
Dezember 1989: Zuarbeit zum Wissenschaftsprofil der HfÖ mit Aussagen zur Spezialisierungsrichtung „Territorialökonomie“ im Bereich Volkswirtschaft | |||||||
Januar 1990: Wirtschaftsreform und Neugestaltung der Territorialplanung | |||||||
Januar 1990: Gedanken und Vorschläge zum Wissenschaftsprofil des WB Territorialökonomie und Umweltökonomie | |||||||
Januar 1990: Zuarbeit des WB zum Positionspapier: Bildung eines staatlichen Instituts für Territorialforschung | |||||||
Februar 1990: Zuarbeit zum Studienmodell für den Studiengang Volkswirtschaft mit Spezialisierungsrichtung Territorialökonomie und Umweltökonomie | |||||||
März 1990: Positionspapier zur Einrichtung von Lehrstühlen in der Sektion | |||||||
März 1990: Konzept zu Lehrstühlen des Instituts für Raumordnung und Umweltökonomie sowie darauf aufbauend „Zur Institutsstruktur und –funktion“ einschließlich Nachweis der Teilnahme an Veranstaltungen/Tagungen/AG/ Kongresse in Deutschland | |||||||
März 1990: Mitwirkung in einer AG des Ministerrates zur Länder Neugliederung (Me/Fe) | |||||||
November 1990: Thesen „Zum System der Territorialplanung in der ehemaligen DDR und Ansätze der Transformation | |||||||
Oktober 1990: Memorandum/13 Seiten neue Aufgaben und Perspektiven der Raumordnung in Deutschland – im Ergebnis der Tätigkeit einer zwischen unserem Institut und von Fachvertretern der TU von Berlin gebildeten Arbeitsgruppe – Feststellungen- Grundsätze und Anregungen; versendet zum Tag der deutschen Einheit alle wichtigen Raumordnungsinstitutionen, Ministerien der Länder und des Bundes, Hochschulen, Forschungseirichtungen, etc.; großes Echo durch Rückantworten; Auch Sendung an die Frau Bundesministerin Hasselfeld und an die ARL Ausgewählte Leistungen des Instituts für Raumordnung und Umweltökonomie | |||||||
Dezember 1990: Dieses Memorandum wurde in der Wissenschaftlichen Zeitschrift der Hochschule für Ökonomie „/1/1992 publiziert mit Vorwort des Institutsdirektors | |||||||
Januar 1991: Ausbildung in Raumordnung und Umweltökonomie und damit verbundene institutsspezifische Konsequenzen/ | |||||||
| März 1991: Überlegungen zur Bestandssicherung der Ausbildung In Raumordnung und Umweltökonomie Anlage 1: Lehrstühle Anlage 2 : Etwa 25 Einzel und Kollektivpublikationen 1990/1991 | ||||||
April 1991: Brief an den Senator Erhard mit Angebot zur Erhaltung des einzigen Instituts dieser Art in der DDR, des IRU, mit Konzept zum Profil des Instituts und zu den Lehrstühlen | |||||||
August 1991: Antwort des Senats auf diesen Brief mit fadenscheinigen Argumenten der Ablehnung dieses Angebotes | |||||||
Mai 1990: Übergabe des Konzeptes des IRU-Profils mit Struktur der Lehrstühle an den Gründungsrektor der neuen Technischen Fachhochschule, Prof. Tippe, ohne Antwort | |||||||
August 1991: Schreiben an alle Kooperationspartner des Instituts in Deutschland, das das Institut seine Tätigkeit einstellt. |
Besonders wichtig war die bereits im Dezember 1990 begonnene Kooperation zwischen unserem Institut und dem Institut für Regionalplanung der TU Berlin. Hochschullehrer diese Institutes (Prof. Künkel und Dr. Winkel) unterstützten uns mit Vorlesungen im Rahmen des 1990/91 laufenden postgradualen Lehrgangs. Als Gegenleistung traten Dr. habil. Menge und Dr.sc. Fege vor Studenten der TU auf.
Ein besonders wichtiges Ergebnis dieser beginnenden Zusammenarbeit mit der TU Berlin war die in Regie von Prof. Künkel und Dr. sc. Fege gebildete strategische Arbeitsgruppe, die sich das Ziel gesetzt hatte, Denkanstöße für perspektivische Leitlinien der Entwicklung von Raumordnung und Regionalplanung im vereinten Deutschland zu entwerfen. Mitglieder dieser AG waren:
- Prof. Dr. Klaus Künkel TU Berlin – Prof. Dr.sc. Gerhard Kehrer IRU/HfÖ
- Prof. Dr. phil. Rainer Mackensen TU Brlin – Dr. habil. Wolfgang Menge IRU/HfÖ
- PD Dr. Ing Rainer Winkel TU Berlin – Dr. sc. Berthold Fege IRU/HfÖ
- Dipl. Soz. Wolfgang Serbser TU Berlin – Prof. Dr. sc. Werner Ostwald
Dieses Material wurde im September 1990 fertiggestellt und aus Anlass des Tages der Deutschen Einheit am 3.Oktober 1990 dem Bundesministerium für Raumordnung und Bauwesen, der Staatskanzlei des Bundes, der Akademie für Raumordnung und Landesplanung sowie Landesministerien und wissenschaftlichen Institutionen und Einrichtungen übergeben . In der Zeitung der TU vom Januar 1991 war zu lesen, dass Hochschullehrer dieser Einrichtungen ein denkwürdiges Memorandum über regionale Probleme in Deutschlandverfassten.
Die Resonanz war durchweg positiv, die Zustimmung war überwältigend, darunter die von Manfred Stolpe (Antworten von über 30 Institutionen ).
Diese einmalige historische Gelegenheit über Erfordernisse der Raumordnung in Deutschland für die Zukunft nachzudenken und Leitgedanken zu formulieren zeugt nicht nur von hoher wissenschaftlicher Verantwortung, sondern entspricht den Grundwerten der Raumwissenschaft, immer möglichst viele Erwartungen der Entwicklung von MORGEN bei Entscheidungen von HEUTE einzufangen. Dieses Grundprinzip wissenschaftlichen Denkens und Handelns ist besonders in der heutigen Zeit der Klimakrise gefragt.
Auf diese singuläre Existenz des Instituts im Osten Deutschland und die Ausbildung von Fachkräften für die Raumplanung auf allen Ebenen wurde – zusammen mit einem neuen Ausbildungskonzept – der Senat von Westberlin aufmerksam gemacht und er wurde darüber informiert.
Die Antwort des Senats ließ fast ein halbes Jahr auf sich warten, und zwar mit folgendem Wortlaut (ich zitiere auszugsweise): „ …im Nachgang zu unserem Schreiben vorn 14.05.1991 und in Auswertung der uns übermittelten Stellungnahmen des Direktors des Instituts für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität, Herrn Prof. Daub, sowie des Planungsbeauftragten für den Bereich Karlshorst der neu zu gründenden Fachhochschule in Berlin-Ost, Herrn Prof. Knigge, teilen wir mit, dass wir momentan keine Möglichkeit für eine Ausweitung der in Berlin bereits vorhandenen Ausbildungskapazitäten in den Bereichen Raumplanung und Umweltökonomie sehen. Die in Ihrem Schreiben vom 18.04.91 angesprochenen Ausbildungsschwerpunkte auf den Gebieten Landschaftsentwicklung, Regionalplanung, kommunaler Entwicklungsplanung, Umweltökonomie, unternehmerischer Standortplanung, Standortlehre etc. werden z. Bsp. von den Fachbereichen 2, 8 und 14 der Technischen Universität sowie vorn Fachbereich 11 der Technischen Fachhochschule Berlin abgedeckt. Im Bundesgebiet bieten u. a. die Universitäten Dortmund, Göttingen, Kaiserslautern, Stuttgart und Trier sowie die TH Aachen den Vollzeitstudiengang Raumplanung mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung und Ausrichtung auf den Gebieten Architektur und Stadtplanung, Geographie, Bauingenieurwesen, Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre oder als Bauingenieurwesen, Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre oder als integrierte Studiengänge Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung an“.
Trotz aller Bemühungen und erbrachter konstruktiver Vorschläge wurde das Institut – zusammen mit der Hochschule –dennoch abgewickelt, obgleich es sich hierbei um „eine gewachsene Struktur“ einer Hochschuleinrichtung handelte, die ein einzigartiges Konzept künftiger Ausbildung vorgelegt hatte.
Damit wurde zunächst jede Ausbildungsmöglichkeit im Osten Deutschlands in dieser bewährten, breiten Profilierung ausgelöscht. So ergab sich eine für Außenstehende unverständliche Situation, dass die einzige Ausbildungsstätte, die Generationen von Territorialökonomen in der DDR ausgebildet hatte, keine Chance des Weiterbestehens bekam.