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Darüber haben wir früher gelacht …

Autor: Hartmut Forkel

Dipl. oec. Hartmut Forkel (AW 70/3) hat uns Auszüge aus seiner Büttenrede geschickt, die er 1974 beim Hochschulfasching gehalten hat. Er erinnert sich; “ Büttenreden waren in unserer Zeit, ähnlich wie z. B. das Kabarett, mehr oder weniger tolerierte „Ventile“. 1974, in meinem letzten Studienjahr, habe ich mich ziemlich weit nach vorne gewagt und es gab im Direktorium Stimmen, die meine Exmatrikulation nahe legten. Aber zum Glück kam es vier Monate vor dem Diplom nicht mehr dazu.

Der Fasching hat an der HfÖ eine lange Tradition: Empfang des Rektors (Prof. Lemnitz) zum Rosenmontagsball 1958 (fruendt)

Präambel: Nachdem man mir im vergangenen Jahr sagte, dass meine Büttenrede zu stark sexuell geprägt war, d. h. ich bin zu sehr vom Standpunkt des mehr oder weniger geschlechtsreifen jungen Menschen an die Sache herangegangen, werde ich dieses Jahr etwas stärker politisch nuancieren. Ich werde also deutlicher über das Primat innerhalb der Einheit von Politik und Sexuologie sprechen.

  • Ein Freund sagte mir, dass das hier an der HfÖ ein heißes Eisen sei, doch ich glaube, aus 3,5-jähriger Erfahrung sagen zu können, dass auch an dieser Hochschule nicht so heiß gegessen wie gekocht wird…
    TROTZDEM: ich habe hier die schwarze Augenklappe…als Hinweis an die staatlichen Stellen, an die Parteileitung, an die Hochschulleitung, meine Dozenten, an mein um den Titel ringendes  Studentenkollektiv, meine Sportkameraden… bitte an diesen Punkten ein Auge zudrücken!!!
  • Damit keine falschen Gedanken entstehen: Ich spreche heute nicht über die „Rolle der Bedeutung der schöpferischen Komplexität der Beschlüsse von Partei und Regierung“. Ich werde auch kein Referat über „Die Rolle der Büttenrede in der Sowjetunion und den anderen Bruderstaaten“ halten.
  • Die Regie war der Meinung, ich solle etwas zum Faschingsthema sagen („Großbäckerei Karlshorst“). Ich möchte nichts über den Bäckermeister berichten, Magnifizenz. Ich will einfach nur die Bäckereiprodukte mit den Erzeugnissen der HfÖ vergleichen:  1.Studienjahr = Milchbrötchen; 2.Studienjahr = Schrippen; 3.Studienjahr = Knüppel; 4.Studienjahr = Semmel (doppelt so viel wie Schrippen); Forschungsstudenten = die doppelt gebackenen Berliner Landbrote!
  • Analyse der Nachrichtensendungen unserer Rundfunkstationen:
    • 5 Minuten: Meldungen aus dem Leben unserer Republik: z. B „Auswertung der effektiv-schöpferischen Pläne in der LPG „Freies Mecklenburg“ sowie „Sekretär der SED-Bezirksleitung besucht die Metzger im Fleischkombinat“
    • 4 Minuten:  Aus aller Welt!! „25 Jahre unfallfrei bei der Moskauer Metro!” sowie „DDR-Bagger bewähren sich im Donezk-Becken!“
    • Kurz vor dem Wetterbericht, so etwa nach dem Motto…“fast hätte ich’s vergessen, was sonst noch so passierte”…Australien ist untergegangen. 
Hochschulfasching 1978: Programmtruppe mit Rektor (Prof. Kupferschmidt) und Prorektor (Prof. Stier) (reipert)
  • Hochinteressant ist die farbliche Entwicklung der Pol-Ök-Lehrbücher. Zu Stalins Zeiten lehrte man bei uns mit BLAUEM Buch. Danach folgte ein Lehrbuch in avantgardistischem ROT. Nach dem VII. Parteitag erschien, im unauffälligen GRAUEN Leinen gebunden, die Bibel für Ökonomen. Für die Vorbereitung auf’s Staatsexamen „Pol.Ök.“ wurde dem 4. Studienjahr jetzt ein GELBES Lehrbuch empfohlen… Hier wurde ich stutzig! Na nu, dachte ich, maoistisches Gedankengut!? Aber als ich die ersten Seiten aufschlug, wurde ich beruhigt…die Genossen hatten nur geblufft! Es ist natürlich eine Übersetzung aus dem Sowjetischen!
  • Wie findet ihr den Gedanken, wenn Willi Schwabe den „Schwarzen Kanal“ und Karl-Eduard von Schnitzler einmal die „Rumpelkammer“ moderieren würden? Also…
    • Der Schwarze Kanal“ von und mit Willi Schwabe…
      Hoppla! Worüber bin ich denn jetzt gestolpert?! Ach, das ist ja die Pfeife von Herbert Wehner. Die erinnert mich an einen Filmstreifen über eine Bundestagssitzung, in der wir Zeugen der großen schauspielerischen Fähigkeiten Herrn Wehners wurden. Beachten Sie bitte auch, verehrte Zuschauer an den Fernsehgeräten, die brillanten Dialoge mit dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU. An der Seite von Herbert Wehner spielte damals noch Rainer Barzel die Rolle des Fraktionsvorsitzenden und Willy Brandt wurde als Bundeskanzler besetzt.
      Bitte entschuldigen Sie die schlechte Bildqualität. Bild und Ton sind original BRD-Fernsehen.“
    • „Die Rumpelkammer“ von und mit Karl-Eduard von Schnitzler…
      „Guten Abend, meine Damen und Herren. Der soeben gezeigte Filmstreifen hieß „Sieben Jahre Pech“. 7 Jahre Pech, sehr geehrte Zuschauer, das ist kein Spaß mehr, sondern das ist graue kapitalistische Wirklichkeit. Da kann auch ein Herr Hans Moser nicht einfach so darüber hinweg nuscheln…Fakten und Tendenz sind gesetzmäßig.
      Und wenn in unserem nächsten Filmstreifen ein Herr Rühmann singt „Wir zahlen keine Miete mehr, wir sind im Grünen zu Haus“ , so klingt das zu uns wie aus einer fernen, fremden Welt.
      In unserer Deutschen Demokratischen Republik, liebe Fernsehzuschauer daheim an den Geräten, bei uns gibt es keine Obdachlosen mehr.
      Ich wünsche Ihnen noch einen nachdenklichen Montagabend.“
Hochschulfasching 1977: Programmtruppe (reipert)
  • Kürzlich traf ich einen Gaststudenten von den Niederländischen Antillen. Wissenschaftler hätten, so berichtete er, kürzlich die erschreckende Entdeckung gemacht, dass die Inseln von Meeresalgen aufgefressen und jährlich um ca. 20 cm mehr vom Ozean überspült werden. Dennoch, so berichtet er stolz, haben sie jetzt mit der DDR diplomatische Beziehungen auf Botschafterebene aufnehmen können!
  • Freunde, mal ganz unter uns…angenommen, wir erfüllen die Hauptaufgabe nicht – nur angenommen – Freunde, wir erfüllen sie nicht…Ob wir dann überhaupt einen Schuldigen finden??…..Also am Wetter liegt’s diesmal nicht!!
  • Bei einer Umfrage unter Ökonomie-Studenten an einer Lehranstalt in Berlin, Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik, zum Thema „Was finden Sie am „ND“ am interessantesten?“ gab’s folgendes Resultat:
    • 40% der Befragten: Sportberichte,
    • 59%: „Was sonst noch passiert“.
    • Nein, die Titelseite fiel nicht ganz unter den Tisch…1% der Befragten fand das Datum sehr informativ!

Und worüber lachen wir heute?