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Die HfÖ hat mich verändert – zum Positiven

Autor: Jürgen Felker

Jürgen Felker (AW 72/4) hat mit Studium, gesellschaftlicher Tätigkeit und Weiterbildung viele Jahre an der Hochschule für Ökonomie verbracht. Er schildert, wie ihn das Gelehrte und Erlebte befähigt haben, im späteren Leben nie die richtige Orientierung zu verlieren.

Nach dem erfolgreichen Abitur wusste ich eigentlich nicht wie es weiter gehen sollte. Ich wusste definitiv, dass ich studieren wollte,. Herr Kanziorra, mein Russischlehrer an der EOS „Johann Wolfgang von Goethe“ in Köthen, hatte stets betont, dass wir zur Elite gehören und dass unser Auftrag darin bestünde, zu studieren.
Also so viel war klar, aber was studieren? Ich war immer schon gut im Schreiben (Aufsatz immer eine „1“) und Reden konnte ich auch. Deutsch gehörte neben Geschichte stets zu meinen Lieblingsfächern. Also klar war, dass nichts mit Naturwissenshaften infrage kam. Journalistik interessierte mich ein wenig, also bewarb ich mich in Leipzig. Die Aufnahmeprüfung in Dresden (ich hatte den Termin in Leipzig nicht wahrnehmen können) verpatzte ich. Ich weiß bis heute nicht warum.
Aber das war mein Glück, denn mein Vater hatte irgendwo in der Zeitung gelesen, dass ein Studium der Wirtschaft in Berlin möglich sei und so bewarb ich mich an der Hochschule für Ökonomie (HfÖ). „Mit Wirtschaft hat doch alles zu tun, das ist in jedem Land wichtig“, meinte mein Vater. Dass das stimmte, war unbestritten. Und ich wurde nach der Aufnahmeprüfung auch angenommen. Schon kurz darauf erhielt ich eine Einladung zur Teilnahme an der FDJ-Studentenbrigade, das sogenannte „0. Studienjahr“ ließ mich gespannt in Richtung Berlin schauen.
Das „0. Studienjahr“ bzw. der FDJ-Studentensommer sollte mich während der gesamten Studienzeit begleiten, als Teilnehmer, als Brigadeleiter und – der Höhepunkt – gegen Ende des Studiums als Leiter der HfÖ-FDJ-Studentenbrigade in der Sowjetunion an der Kama, ein unvergessliches Erlebnis.

1974: AW72/4 auf Gruppenfahrt im Spreewald

Das Studium fand ich von Beginn an sehr spannend und interessant, Mathematik, Statistik und Kybernetik zählten nicht zu meinen bevorzugten Fächern, aber die Notwendigkeit derselben vermochte ich zu erkennen. Politische Ökonomie und Philosophie begeisterten mich, tolle Seminare in PÖK bei dem 2021 verstorbenen Prof. Günter Hoell oder in Philosophie bei Dr. Götz Scharf. Die erfahrene Kameradschaftlichkeit der Lehrkräfte hat mich zunächst erstaunt, aber dann mein Bild von einer sozialistischen Hochschule im besten Sinne geprägt. Die Lernkollektive in den einzelnen Seminargruppen waren nicht schlecht und haben es manchem ermöglicht, gut durch die Prüfungen zu kommen.
Und da waren die jährlichen FDJ-Studententage mit ihren wissenschaftlichen und kulturellen Beiträgen. Hier hat mich seinerzeit ein Zitat von Karl Marx sehr berührt, dass von einer Studentin des 1. Studienjahres vorgelesen wurde:
„Wenn wir den Stand gewählt, in dem wir am meisten für die Menschheit wirken können, dann können uns Lasten nicht niederbeugen, weil sie nur Opfer für alle sind, dann genießen wir keine arme, eingeschränkte, egoistische Freude, sondern unser Glück gehört Millionen, unsere Thaten leben still aber ewig wirkend fort und unsere Asche wird benetzt von der glühenden Thräne edler Menschen“.
Sehr pathetisch, aber da war Marx ja auch noch sehr jung. Für mich persönlich war das schon ein bisschen Kompass für mein weiteres Leben. Dazu kam, dass ich an der HfÖ viele Menschen, Professoren und andere Lehrkräfte sowie Mitstudenten kennenlernte, die mir Partner waren. Und einige wurden zu Freunden, mit denen ich bis heute eng verbunden bin. Hierzu zähle ich unter anderem Dr. Eberhard Merten und Dr. Achim Reipert.
Dabei denke ich auch gern an die umfangreiche Programmpallette des FDJ-Studentenklubs zurück. Der ja schon fast legendär zu nennende Jörg Stempel hat hier eine fantastische Arbeit geleistet. Dazu war er noch ein sehr guter Hallenfußballer.

Durch meine Arbeit als 2. Sekretär der Hochschulgruppenleitung der FDJ-Grundorganisation „Heinrich Rau“ war ich dann für zwei Jahre auf einer anderen Ebene an der HfÖ tätig. Hier habe ich manche Professoren nochmals von einer ganz anderen Seite kennengelernt.
1978/79 war ich an der Vorbereitung und Durchführung des Nationalen Jugendfestivals in der DDR beteiligt. Auch das ist eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte, und die nur durch die Arbeit an der HfÖ möglich wurde.
Selbst nach dem Ende der DDR bin ich nochmals für ein Jahr an die HfÖ zurückgekehrt: Umschulung im Fach „Betriebsführung/Management“, da schloss sich der Kreis.

Etwa bis Ende der 1990er Jahre hatte ich viel in Russland zu tun. Gemeinsam mit anderen ehemaligen Studenten der HfÖ gründeten wir u. a. eine russische Firma, die sich mit der Durchführung von Seminaren auf dem Gebiet der Immobilienwirtschaft befasste. Zu Beginn eines jeden Seminars gab ich folgenden Satz zum Besten:
„Ich bin in der DDR groß geworden und wir haben dort den Spruch vermittelt bekommen Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen! Das hat ja bekannterweise nicht ganz hingehauen, allerdings weiß ich nun auch aus eigener Weltanschauung, dass das System, in dem ich jetzt lebe, auch nicht das Ende der Geschichte darstellt.“
An dieser Stelle hatte ich dann die Lacher meistens auf meiner Seite.

Zusammenfassend kann ich für meine Zeit an der Hochschule für Ökonomie „Bruno Leuschner“ sagen, das alles was ich dort erfahren und vermittelt bekommen habe, mich im späteren Leben, und das gilt bis heute, nie die richtige Orientierung hat verlieren lassen. Dialektisches Denken, immer die Frage nach Ursache und Wirkung stellen sowie stets zwischen der Erscheinung und dem Wesen der Dinge zu unterscheiden, das ist es worauf es meiner Meinung nach ankommt, um sich in der Welt zurecht zu finden. Besonders in der heutigen Zeit mit ihren die gesamte Menschheit herausfordernden Problemen gewinnt dies immer mehr an Bedeutung.
Und der Antwort von Karl Marx auf die Frage seiner Tochter Jenny nach seinem Lieblingsmotto „De omnibus dubitandum“ (An allem ist zu zweifeln) ist nichts hinzuzufügen.

Zum Schluss doch noch eine ganz persönliche Bemerkung von mir: „Danke HfÖ, für alles“.