Gernot Zellmer
1973, im Jahr der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin, war ich für wenige Monate 1. Sekretär der HSGL der FDJ-Organisation an der HfÖ. Als 1979 anlässlich des 30. Jahrestages der Gründung der DDR an der Hochschule ein Erinnerungsbuch vorbereitet wurde, bat man mich über die Tage der Vorbereitung und Durchführung des Festivals zu berichten. Was ich vor 44 Jahren aufgeschrieben habe kann man im Folgenden – leicht gekürzt – nachlesen.
Als am 28. Juli 1973 die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin eröffnet wurden, begannen für uns HfÖ-ler nach Monaten angestrengter Vorbereitungsarbeit wunderschöne Tage mit unzähligen Höhepunkten, deren chronologische Aneinanderreihung mir nach so vielen Jahren nicht mehr leicht fällt. Ein Höhepunkt wird mir wie vielen anderen noch lange in Erinnerung bleiben, ein Höhepunkt vor dem eigentlichen Fest: Am 23.Juli erhielt unsere FDJ-Grundorganisation eines der 53 vom Zentralkomitee der SED gestifteten Ernst-Thälmann-Ehrenbanner. Damit wurden die Leistungen unserer 1.700 FDJ-Studenten – und darüber hinaus aller Mitarbeiter der Hochschule – bei der Festivalvorbereitung gewürdigt.
Als 1. Sekretär der HSGL der FDJ hatte ich gemeinsam mit der Studentin Bärbel Krüger die große Ehre, das Banner aus den Händen von Erich Honecker entgegenzunehmen. Nach der Übergabe hatte die Parteiführung die FDJ-Sekretäre zu einem kleinen Essen eingeladen, bei dem auch ich über unsere Arbeit berichten sollte. Vor mir sprachen Jugendfreunde aus bedeutenden Großbetrieben der DDR. Als Vertreter einer studentischen FDJ-Organisation hat man es dann meist schwer, mit ähnlich konkreten, abrechenbaren Leistungen aufzuwarten, wie sie von den FDJ-Mitgliedern in Industrie und Landwirtschaft erbracht werden. Doch in diesen Monaten der Vorbereitung auf die X. Weltfestspiele brauchten wir uns keineswegs zu verstecken.
So konnte ich unter anderem berichten, dass wir bei der Vorbereitung des Festivals in allen FDJ-Kollektiven großen Wert auf die parteiliche, kameradschaftliche und offene Diskussion zu aktuellen Ereignissen der gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR und in der Welt gelegt haben.
Ich konnte weiter berichten, dass es uns in vielen freiwilligen Arbeitseinsätzen – mit tatkräftiger Unterstützung der Mitarbeiter der Hochschule – nicht nur gelungen ist, für unsere künftigen Festivalgäste in den renovierten Internatszimmern angenehme Aufenthaltsbedingungen zu schaffen, sondern dass wir auf diese Weise auch bedeutend mehr als die geplanten 100.000 Mark auf das Festivalkonto überweisen konnten.
Zugleich hatte das geistig-kulturelle Leben unserer FDJ-Gruppen durch die Gestaltung kulturell-politischer Programme zu den X. Weltfestspielen einen bedeutenden Aufschwung erfahren, wobei der FDJ-Studentenclub und die Singegruppe besonders stimulierend und fördernd wirkten.
Schließlich berichtete ich, dass jeder Jugendfreund unserer Grundorganisation seine während des Festivals zu erfüllende Aufgabe kennt und bereit ist, sie gewissenhaft und mit hoher Einsatzbereitschaft zu erfüllen.
Ich bin nach Jahren nicht mehr in der Lage, sozusagen aus dem Gedächtnis heraus die genannten und viele andere gute Leistungen mit statistischen Zahlen zu belegen. Das kann man in der im Rahmen eines Jugendobjektes der FDJ-Gruppe AW 74/1 entstandenen Chronik über die se Tage nachlesen. Bei der Beantwortung der Frage, wie solche Erfolge möglich waren, erscheint mir folgendes erwähnenswert:
- Die Arbeit innerhalb der FDJ-Grundorganisation wurde wesentlich dadurch erleichtert, dass die stattliche Leitung und alle gesellschaftlichen Organisationen der Hochschule von dem Willen beseelt waren mitzuhelfen, dass sich die Hauptstadt der DDR und besonders die Hochschule für Ökonomie als gute Gastgeber der Jugend der Welt erweisen.
- Die Hochschulgruppenleitung der FDJ war ein festgefügtes Kollektiv, in dem alle mit hohem persönlichen Engagement die übertragenen Aufgaben erfüllten. Diese Kollektivität wurde zu einem wesentlichen Unterpfand der schon erwähnten Erfolge, als im Februar 1973 der bisherige 1. Sekretär der HSGL, Friedbert Sammler, in die FDJ-Bezirksleitung abberufen wurde und ich wenige Monate vor dem Festival in diese Funktion gewählt wurde. Vertrauen und verständnisvolle Hilfe der ZPL, die solide und gewissenhafte Vorbereitungsarbeit meines Vorgängers und die qualifizierte eigenständige und engagierte Arbeit hauptamtlicher FDJ-Funktionäre wie Eberhard Merten, Petra Landmann, Wolfgang Heym und anderer ermöglichten mir ein schnelles Einfinden in die begonnene Arbeit und ihre kontinuierliche Fortsetzung.
- Im Frühjahr 1972 begannen die Vorbereitungen auf die X. Weltfestspiele in unsrer Grundorganisation. Von Anfang an konzentrierten wir uns darauf, jedem Jugendfreund die politische Bedeutung des Festivals klarzumachen, sein Interesse an den Problemen der Weltjugendbewegung zu wecken, ihn zu parteilich offensiver Argumentation zu befähigen und bei ihm die Bereitschaft auszuprägen, während der Weltfestspiele jede gestellte Aufgabe zu erfüllen.
- In der Zeit der Vorbereitung des Festivals herrschte zwischen den FDJ-Gruppen eine leistungsfördernde Wettbewerbsatmosphäre. Die regelmäßige Auswertung der Ergebnisse einschließlich der Festlegung des Platzes jeder Gruppe innerhalb eines Studienjahres und einer Sektion stallte die FDJ-Sektionsleitungen vor keine leichte Aufgabe. Die siegreichen Gruppen erhielten neben Prämien das Recht, die Weltfestspiele unmittelbar mitzuerleben.
Die von den Studenten unserer FDJ-Grundorganisation bei der Festivalvorbereitung gezeigten und mit dem Ernst-Thälmann-Ehrenbanner gewürdigten Leistungen fanden ihre Fortsetzung unmittelbar während der Tage der Weltfestspiele. Zur Betreuung und Versorgung der vielen in- und ausländischen Festivalteilnehmer und Gäste waren unsere Jugendfreunde im Getränkekombinat, an den Verkaufsständen von HO und Konsum, im Quartier der französischen und belgischen Festivaldelegation an unserer Hochschule und im Organisationsbüro eingesetzt.
Trotz der vielfältigen Festivalaufgaben haben wir auch im Jahr der Weltfestspiele nicht auf die Durchführung der Internationalen Studentenbrigade in der DDR (sie fand in Fürstenwalde statt) verzichtet. Gleichzeitig delegierten wir – wie in jedem Jahr – Jugendfreunde zur Teilnahme am Studentensommer unserer Partnerhochschulen in den sozialistischen Ländern.
Ein Ehrenplatz in der Festivalchronik gebührt unserer Hundertschaft der FDJ-Ordnungsgruppen, die für ihre hervorragenden Leistungen bei der Vorbereitung und Durchführung der Weltfestspiele als Wettbewerbssieger mit einem Ehrenbanner der FDJ-Bezirksleitung ausgezeichnet wurde.
Ich hatte während des Festivals den 500er-Block unserer Teilnehmer zu leiten, zu dem auch Studenten der Ingenieurschule für Elektrotechnik und Maschinenbau gehörten. Wir waren in Schulen in Erkner untergebracht und bei der Begrüßung ausländischer Festivalteilnehmer (manche Nacht wurde auf dem Flughafen Schönefeld verbracht) und bei vielen politischen und kulturellen Großveranstaltungen dabei. Obwohl viele Stunden mit Warten verbracht werden mussten war die Stimmung prächtig und die Disziplin ausgezeichnet.
Die FDJ-Grundorganisation der Hochschule für Ökonomie hat ihre Aufgaben während der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973 in Ehren erfüllt.