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Es war ja nicht alles schlecht!

Autor: Norbert Peche

Prof. Dr. sc. Norbert Peche (AW 70/2) kennt das akademische Leben als Student und Wissenschaftler, hat systemübergreifend geforscht und gelehrt. Seine humorvolle, auf eigenen Erfahrungen basierende Beschreibung des heutigen Lehr- und Studienbetriebes soll auch zum Nachdenken über die Studienzeit an der HfÖ anregen.

1974: Norbert Peche (4. v. l.) mit seiner Seminargruppe

Als wir 1974 mit dem Studium an der HfÖ fertig waren, setzten wir uns in den Studentenclub zum Bier und versuchten, uns eine gemeinsame Meinung zu bilden, darüber, wie es so war, das Studium, und wozu wir nun wirklich taugten. Über unseren geeignetsten Einsatzzweck konnten wir uns schnell einigen: Gewerkschaftsfunktionär. Überall mitreden, keine Ahnung von nichts und niemals richtig verantwortlich. (Bevor jetzt alle Gewerkschaftsfunktionäre aus unseren Reihen zum Gegenschlag ausholen, darf ich erinnern, wir waren noch verdammt jung, 24, maximal. Das entschuldigt gar nichts, aber es erklärt manches.)

Ich erinnere mich noch gut an die herrliche Studentenzeit. Immer waren wir im Kampf: um beste Noten, um Zusatzstipendien, um den Titel „Sozialistisches Studentenkollektiv“, „Kollektiv der deutsch-sowjetischen Freundschaft“, um Kulturprogramme im „geistig-kulturellen Studentenwettstreit“, um die höchste Vietnamspende, um die Plätze in irgendwelchen Sportwettkämpfen, ums Durchhalten in der Zivilverteidigung und der vormilitärischen Ausbildung und … um Mädchen (respektive um Männer).
(Liebe Kommilitonen, schaut mal in die „Brigadebücher“ eurer Seminargruppe, ihr kommt aus dem Lachen nicht mehr raus.)

In den kurzen zeitlichen Lücken zwischen FDJ- und Parteiversammlungen und zwischen all den Kampfplätzen lauerte das Studium. Man durfte sich zu den Lehrveranstaltungen nicht verspäten, geschweige denn früher gehen, wenn es einem nicht gefiel. Für gänzliches Fernbleiben bedurfte es kreativer Ausreden und glaubwürdiger Fakten. Und – es war verdammt anstrengend. Eine Fülle an Vorlesungen, immer herausfordernd, manchmal, weil die intellektuelle Finesse des Vortragenden zur vollen Aufmerksamkeit zwang, manchmal auch, um vom gleichförmigen Singsang des Profs nicht einzuschlafen. Dann das obligatorische Selbststudium: Zumeist recht lange und fast immer trockene Texte. Aber die wurden meistens sogar gelesen. Schließlich wollte man im anschließenden Seminar nicht als Dummlack auffallen.

Das Audimax einst …

Aber mal ehrlich, wie die sozialistische Volkswirtschaft in der DDR in Gänze funktionierte, hat sich uns bis zum Ende des Studiums nicht erschlossen. Ganz zu schweigen vom System des Klassenfeindes. Die Kapitalismuserzählungen waren so dunkel und so stark angelehnt ans Märchenhafte, dass der gesunde Menschenverstand Auswege suchte und etliche dazu neigten, das Werbefernsehen im Westen für die Wirklichkeit zu nehmen. Daher sollte uns nicht verwundern, dass so wenige den Wolf erkannten, als er kam.
Aber es war ja nicht alles schlecht. Ich denke nur an diese leistungsfähige Denkmaschine, die man uns mit dem dialektischen Materialismus mitgegeben hat. Ich denke an Erziehungsergebnisse, an denen die HfÖ nicht unmaßgeblich beteiligt war, wie Leistungsbereitschaft, Kompromiss- und Kooperationsfähigkeit. Mit welcher Gunst hat uns doch die Geschichte bedacht, einmal erlebt zu haben, dass der Eigennutz nicht das beherrschende Element in einer zivilisierten Gesellschaft sein muss.

… und heute

Der Blick auf die Vergangenheit misst sich immer am Zustand der Gegenwart. Der Blick auf die Studienzeit an der HFÖ erscheint noch einmal in einem ganz anderen Licht, wenn man ein heutiges Studium dagegenhält. Zu diesem systemübergreifenden Vergleich hatte ich in drei Lehrberufungen ausreichend Gelegenheit. Da alle meine ernstgemeinten Texte (Veröffentlichungen) weder zu Volksaufständen, noch zu vaterländischen und anderen Orden geführt haben, wollte ich 2018 mal was Lustiges schreiben und habe unter dem Titel „Nichts als die lautere Wahrheit“ ein Kurzgeschichtenbändchen veröffentlicht. Darin auch eine Hochschulgeschichte, in deren Versponnenheit (fast) die ganze Tragik unseres heutigen Hochschulbetriebes aufgehoben ist.
Lest mal:

Die Hochschul-App
Ich träume nie. Wie für alles im Leben aber gibt es Ausnahmen. Gestern war meine Traumausnahme. Es war schrecklich, und ich überlege seit dem Frühstück fieberhaft, was ich nun mit diesem Traum anfange. Ich habe darin keine Übung. Was macht man mit Träumen, an die man sich zudem beinahe minutiös erinnert?

Und so ging der Traum.
Mein Gott, ich war Professor an einer großen deutschen Hochschule. Da ist alles klar: Gegenwart überschaubar, Zukunft gesichert, schöne Pension.
Und plötzlich tauchten, in einem Moment der Entspannung, grauenvolle Vexierbilder um mich herum auf.
Ich sitze in meinem Amtszimmer und bereite mich auf den Unterricht vor. Beine auf dem Schreibtisch, Sessel in Schlafstellung, Augen geschlossen, ganz auf ruhige Verdauung konzentriert. Und dann springt hinter dem Schreibtisch plötzlich
Peter Altmaier (ja, der Altmaier) hoch, mit der linken Hand die rutschende Anzugshose haltend, wirft er mit der rechten ständig dicke Bücher nach mir. Völlig im Widerspruch zu seinem exaltierten Herumrudern sagt er mit völlig ruhiger Stimme: „Jeder Bürger dieses Landes hat ein Recht, am Wohlstand unseres herrlichen Landes teilzuhaben“. Dann wechselt die Stimmlage und er kreischt: „Aber du sollst Bücher schreiben, du faules Schwein!“.
In der anderen Ecke meines Zimmers lauert nun
Johanna Wanka (ja, die Wanka). In der Stellung einer liegenden Sphinx schaut sie nicht mich an, sondern redet ohne jede Mimik auf Altmaier ein: „Die Zukunft des Hochschulwesens in diesem wundervollen Land liegt im Drittmittel.“ Oh Gott, die Drittmittel. Der triumphierende Neoliberalismus gibt erst auf, wenn auch der letzte depperte Prof einer Hochschule seinen Cousin in irgendeinem Ministerium oder besser einer Bank dazu überreden kann, für speziell ihn ein Projekt zu erfinden, über das die Hochschule zusätzliches Geld ranschafft.
Schließlich mischt sich noch
Sascha Lobo (ja, der Lobo, der mit dem PR-Gag „roter Hahnenkamm“) ein. Er pennt unter meinem Schreibtisch, reibt sich die Augen, richtet seinen roten Hahnenkamm und meint mit größter Gelassenheit: „Also normalerweise stehe ich ja nicht auf, wenn nicht wenigstens eine Kamera da ist. Aber, will mal sagen, ohne Digitalisierung geht sowieso nichts. Also digitalisiere dich ma´.“ Ich bin schon froh, dass der mich nicht anschreit, sondern sich wieder seinem Kamm widmet.
Dann flüchte ich in meine Vorlesung. Es ist
5 nach, aber im Flur spricht mich Kollege Hans Dampf an. Er will wissen, wann er denn nun mal bei mir hospitieren kommen kann. Das versuche ich schon seit Monaten zu verhindern, denn Dampf liest seit 20 Jahren zu den gleichen Overhead-Folien seine Vorlesung ab, und Kollegin Mata Harry hat mir im letzten Kollegium zugeflüstert, dass er sich schon meine Folien aus dem Hochschulintranet runtergeladen hat und dann vor anderen geschimpft haben soll, dass meine Charts ja keine Sau versteht und ich nicht einmal in ganzen Sätzen formulieren könnte.
Ich nehme mir umgehend vor, die Reihenfolge der 100 Charts in meiner bewährten Vorlesung grundsätzlich umzustellen und neue Kapitelüberschriften zu erfinden. Dann sage ich etwas von „Freiheit der Lehre“ und „noch nicht abgeschlossenen Forschungen“ und so. Schließlich schaue ich auf die Uhr und verabschiede mich höflich.
10 nach. Im Vorlesungstrakt tobt das Leben. Als ich meinen Kampfplatz erreiche, den ich liebevoll „Colosseum“ nenne, sind da schon einige junge Leute anwesend. Ich stelle mich demonstrativ vor das Katheder, diese traditionell so bewährte Schutz- und Trutzburg des deutschen Professors, und grinse. So stehe ich, während sich vor mir langsam das Colosseum füllt. In den vorderen Reihen, im Parkett, sitzen schon lange einige Versprengte, die ich unerklärlicherweise „die Florettfechter“ nenne (so ist das im Traum, darf ich erinnern). Sie reden mit mir, stellen Fragen, und manchmal ist der eine oder der andere ein bisschen bekifft, dann streitet der auch mal.
Der erste Rang füllt sich immer etwas später. Dort sitzen die „
Geharnischten“. In silbernen und goldenen Rüstungen scheinen sie ihre Aufgaben durch pures Anwesendsein als erfüllt anzusehen. Kein Gedanke durchdringt ihre Rüstungen und kein Laut verlässt ihre Kampfhelme.
Der zweite Rang wird immer zuletzt bevölkert. Hier könnte man, wenn man denn wollte, nahezu unbemerkt durch die hinteren Türen rein- und rausschlüpfen. Da hausen die „
Verirrten“. Von denen kommt der Letzte, wenn der Erste längst wieder gegangen ist. Dieser Teil unserer bildungsnahen Jugend ist während der gesamten Vorlesung schwer beschäftigt – mit sich. Das ist manchmal extrem laut. Weil ich aber niemanden mehr rauswerfen soll (Der Präsident: „Wir sind hier nicht mehr in preußischen Zurichtungsstätten!“), räche ich mich, indem ich bei zunehmender Lautstärke im zweiten Rang selbst immer leiser rede. Das trifft auf allgemeine Zustimmung.
Am Ende der Vorlesung trete ich wieder vor das Katheder und grinse. „
10 vor“. Die meisten packen ein. “5 vor“ bin ich allein im Colosseum. Den Vorlesungstrakt komme ich unangefochten durch, denn meine Kollegen haben ihren Kampfplatz längst geräumt.
Vor meiner Amtsstube im achten, ansonsten schon leeren Stockwerk, lausche ich an meiner Tür. Gott sei Dank, alles ruhig. Ich luge durch den Türspalt. Kein Altmaier und Co. Also trete ich entschlossen ein und setze mich vor den Computer. Unser nächster Urlaub muss noch ausgegoogelt werden. Ich gebe „Hotels Malediven“ ein und … es erscheint
Malediva, eine mir bekannte Studentin in goldener Rüstung. Sie richtet sich offensichtlich vor ihrer Webcam noch etwas her, als oben im Bildschirm eine Textzeile aufploppt: “Achtung. Ihr Gruppenchat beginnt in 30 Sekunden.“
„Sind wir auf Sendung?“, fragt
Alexis, ein Fechter, in einem weiteren Fenster. Im dritten Fenster ist ein im Vordergrund aufgerichteter Daumen zu sehen und im Hintergrund der verirrte Philipp-Malcom, einen Döner quer vor dem Mund.
„So, Herr
Mustermann, …“ sagt Malediva (Ich heiße natürlich nicht Mustermann, aber selbst im Traum gehen mir die Persönlichkeitsrechte über alles). „Moment“, höre ich mich kreischen, „Professor Mustermann bitte, so viel Zeit muss sein“.
„Das passt ins Bild“, murmelt
Philipp-Malcolm, der damit einen schweren Fehler macht, zeigt er doch an, dass er über eine Stimme verfügt.
„Also egal“, meint
Malediva, “wir müssen über die Abschlussklausur nächste Woche reden. Wir wissen bei ihnen immer noch nicht, woran wir sind. Auf welche Fragen sollen wir uns denn vorbereiten?“ Philipp-Malcolm zeigt wieder den Daumen und Alexis lächelt verlegen.
„Na“, sage ich, “da machen sie sich mal keine Sorgen. Wir haben ja morgen noch das Repetitorium und übermorgen den ganzen Tag persönliche Konsultationen.“

Im Repetitorium wird der Stoff aus 16 Vorlesungen noch einmal in einer Vorlesung wiederholt. Originalton Präsident: „Es ist üblich an unserer Hochschule, eine Art Nachteilsausgleich anzubieten für jene Studierenden, die es nicht ermöglichen konnten, an ihren Vorlesungen teilzunehmen.
Die Repetitorien haben sich sehr bewährt.“ Originalton
Präsident zum Thema „persönliche Konsultationen“: „Da wir nicht erwarten können, dass alle unserer Studierenden gleichermaßen vorbereitet sind, Ihrer persönlichen Lehrmethodik zu folgen, und wir sie so der Gefahr einer gewissen Diskriminierung aussetzen würden, haben wir die persönlichen Konsultationen eingeführt. Da kann im Vieraugengespräch sehr individuell nachgearbeitet werden. Die persönlichen Konsultationen haben sich sehr bewährt.“
„Schön und gut“, lässt sich wieder Malediva hören, „aber werden Sie uns im Repetitorium auch sagen, welche Folien wir denn nun lernen sollen? Schließlich können Sie ja nicht verlangen, dass wir alle 124 Folien auswendig lernen. Das schafft doch niemand in knapp einer Woche. Außerdem machen das alle Dozenten so.“
„Was machen alle Dozenten wie?“, schieße ich sofort nach. Zunächst herrscht Schweigen auf meinem Bildschirm. Schließlich will
Alexis helfen: „Nun ja, zum Beispiel gibt Professor Dampf im Rep ein Kompaktskript aus. Fünf Seiten Prüfungsstoff.“ Philipp-Malcolm nimmt dem Daumen aus dem Fenster und meint breit grinsend: „Alles alter Zopf. Besser ist Multiple Choice. Wie im Fernsehen, „Wer wird Millionär“, einfach ankreuzen, fertig. Braucht man auch Wissen, ganz klar.“ „Au ja, das kann ich gut“, freut sich Malediva.
Weiter geht der Chat nicht, denn nun springt aus meinem verschlossenen Panzerschrank, in dem ich eigentlich nur belastendes Material über meine Kollegen und für eventuelle Angriffe auf mich vorbereitete Gegendarstellungen aufbewahre, aus diesem Schrank springt nun ein kleiner Kerl raus, der deutlich als Teufelchen zu erkennen ist, der aber merkwürdigerweise meine Gesichtszüge trägt.
„Was bist du für ein blöder Kerl,
Mustermann.“ Das ist Feststellung eines Tatbestandes, ohne Fragezeichen.
„Du schinderst dich hier ab, verströmst Angstschweiß und kriegst nächstes Jahr dein erstes Herzflattern, und wofür? Niemand will deine Anstrengung, weil sich niemand anstrengen will.“ Bei „deine Anstrengung“ begleitet ein fieses Lächeln seine Aussage. „Deine Studis wollen den Schein, schnell und anstrengungslos. Alles andere ist Humbug, sagte schon immer mein Kumpel Hedon“.
„Aber das Renommee der Hochschule, der
Präsident…“, entgegne ich hilflos stotternd.
„Der
Präsident, der Präsident. Hat der dich schon mal gefragt, was deine Studis können, wenn sie die verkackte Penne hier verlassen. Nö. Nö, siehste. Der hackt auf dir rum, weil du die höchste Durchfallerquote hast. Er lobt die Mata Harry, weil sie 70.000 Glocken an Drittmitteln beim Frauenministerium eingeworben hat für ihr Dreijahresprojekt: Genderindizierte Promotion von partikularem Behavior.
Und du. Kommst wieder schlecht weg. Kein Wort über deinen Plan, vielleicht sogar ein ganzes Buch zu schreiben. Dabei ist das Verhalten von „H+ Atomen beim Mediumwechsel in metallenen Grenzstrukturen“ auch wichtig. Ne, bei deinem
Präsi haste längst verkackt. Hau ihm doch nur noch Einserabschlüsse hin und jedes Jahr 10 % mehr Beknackte, die du bei dir durchschleust.“
„Aber die Gesellschaft, unser stolzes, erfolgreiches Land …“
„Papperlapapp. Wer strengt sich denn an, in deiner Gesellschaft? Mann, it´s harvest season. Guck dich doch mal um. Die Autokonzerne tun so, als könnten sie sauberen Diesel, im BER Aufsichtsrat tun alle so, als würde der Scheißflugplatz mal fertig werden, die SPD tut so, als wäre sie eine andere, nur weil sie sich einen Vorsitzenden gewählt hat, der sich noch an die alten Losungen erinnern kann Und selbst die Linke kämpft gegen die kapitalistische Gesellschaft, indem sie erst mal ein paar Ministerposten besetzen will. In deiner Gesellschaft wird nicht mehr gelebt, gearbeitet, gekämpft. Leben, Arbeit und Kampf werden nur noch imaginiert. Man tut so, als ob…“
„Aber was soll ich denn tun?“, entrang es sich meiner gequälten Brust.
Mein
Teufelchen knickte etwas seitwärts weg, lächelte milde und hob nacheinander drei Kellen, ganz nach der Art der alten Bahnschaffner, in meine Blickrichtung. Von der ersten Kelle blickte mich Altmaier vertrauenheischend an und flüsterte „Bücher“. Auf der zweiten Kelle orakelte Frau Wanka sibyllinisch „Drittmittel, Drittmittel“. Na, das wundert nun niemanden mehr, auf der dritten Kelle war der Lobos Sascha. Von hinten war er nur zu sehen, und er schien sich an seinem roten Kamm selbst nach oben zu ziehen. „Digitalisierung“, ist ja klar.
„Ich verstehe“, sagte ich weinerlich.
„Ich weiß nicht, ob du was verstehst. Du brauchst einen Befreiungsschlag, was Innovatives, was, zu dem alle „ja“ sagen müssen, aber niemand was tun muss. Es muss klein, schnell und mehr von allem sein, Zeit sparen und allen Beteiligten Kohle einbringen oder sparen. Und es muss glitzern.“
„Warum muss es glitzern?“, fragte ich ehrlich überrascht.
„Na, dann ohne Glitzern. Ich wollte nur mal sehen, ob du noch aufpasst“, zischte der
Teufel.
„Aber was du da willst … dagegen ist die Quadratur des Kreises eine leichte Aufgabe.“
„Genau, da musst du dich mal anstrengen. Willst du doch immer.“ Wieder grinste der Kerl über das ganze Gesicht. Ich sackte leicht in meinem Schlafsessel zusammen und versuchte den Grübler zu geben. Mehr als Quadratur des Kreises? Da fang ich gar nicht an zu denken. Weiß man doch, geht nicht.
Mein
Teufelchen schielte mich von unten an und sagte … nichts. Jetzt kam mir meine geübte Praxis der Vorlesungseröffnung gut zu pass. Ich kann gut und lange schweigen und dabei doch jederzeit bereit aussehen. Schließlich verlor mein Teufelchen die Geduld. „Na“, sagte er und stupste mich mit der Lobo-Kelle an. „Was Digitales“, sprach es aus ihm, mit Lobos Stimme.
„Ja klar“, begann ich, nur um etwas zu sagen, “machen wir doch gleich ein digitales Studium. Alles im Internet, zu jedem Fach ein Dutzend Kernsätze, die dann per Multiple Choice abgefragt werden. Studienantrag im Netz, Kernsätze lernen mit Unterstützungssoftware im Netz, Prüfung und Bachelor, Master und Doktortitel per PDF zum Ausdrucken nach Hause. Sozusagen die „
Rundumsorglos-Hochschul-App„. Hah, hah.“
Teufelchen lehnte sich zufrieden zurück, streichelte selbstgefällig seinen Bauch und hauchte friedlich: „Na endlich. Jetzt hast du es. Die Hochschul-App. Handyfähig. In 14 Tagen zum Abschluss.“
Ich muss so ausgeschaut haben wie die bewusste Kuh aus dem Sprichwort, als sie überraschend vor einem neuen Tor stand.
Teufelchen sagte: „Glotz nicht so, wie die Kuh vor‘m neuen Tor. Das wird der Hammer schlechthin.“
„Aber meine Studenten…“
„…werden hochzufrieden sein. 14 Tage, zack, Titel, und die wichtigsten Vokabeln für kommende Bewerbungsgespräche.“
„Aber meine Hochschule …“
„…wird äußerst zufrieden sein, die Immatrikulationszahlen der Hochschule finden nur noch in der Serverkapazität eine Grenze. Nur noch gute Noten, die Qualität steigt nachweisbar. Und die Kosten, die Kosten sinken rapide.“
„Aber mein Land, mein Land wird doch rui…“
„Nichts da, dein Land schafft mit dir eine Studienquote von 100 % pro Jahrgang. Wir setzen uns an die Weltspitze. Das ist auch sozial und gerecht. Endlich kann wirklich jeder studieren, und die Leistungen hängen nicht von den ungleich verteilten Begabungen ab. Wenn die Chinesen das nicht zu verhindern wissen, kriegst du den Nobelpreis.“
„Aber die Zukunft …“
„Nun gut, eine Ferse hat jeder Achilles. Aber wenn nur alle mitmachen, geht das lange ausgezeichnet. Wenn alle so tun als ob, akzeptiert ja jeder vom anderen, dass er nur so tut als ob. Das ist ein über Jahrhunderte bewährtes Verfahren. Schon in „Des Kaisers neue Kleider“ ist überliefert, dass der Kerl nackt war. Aber so lange alle tun, als ob, ist alles gut. Und bis sich einer findet, der sagt, dass da etwas nackend ist, bist du schon tot.“
Ich raufe mir ehrlich entsetzt die Haare und versuche einen letzten Einwand: „
Ja, aber was wird aus den Guten, was mit Studenten wie Alexis ?“

In dem Moment muss ich aufgewacht sein. Nach dem Satz macht mein Traum nicht weiter.
Ist das nicht ein schrecklicher Traum? Ich will nie wieder träumen. Keine Ausnahmen mehr.
Aber morgen, morgen fange ich an mit der Hochschul-App.