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Corona: Ernstes und Romantisches in Gedichten

Autorin: Andrea Wojtynek

Dipl. oec. Andrea Wojtynek (AW 69/5) schreibt seit 2008 Kurzgeschichten und Gedichte, die sie in zahlreichen Büchern und Anthologien veröffentlicht und in vielen Lesungen (zeitgemäß auch per Video im Internet) vorgestellt hat. „Masken anno 2020“ hat sie uns schon im April gesendet (als es diese Webseite noch nicht gab), aber das Gedicht hat an Aktualität nicht verloren. Und „Hannes“ ist der poetische Beweis, dass jede Krise auch Chancen bietet.

Masken anno 2020

Statt Karnevalsmasken – der Tod in Venedig,
Corona- Virus, oh Gott sei uns gnädig!
Atemschutzmasken statt Maskenball,
grad in Venedig ein echter Skandal.
„Hey Leute, wir springen dem Tod von der Schippe –
Corona ist einfach doch nur eine Grippe“,
das haben wir alle wohl anfangs geglaubt,
„kein Virus, das unser Wohlleben raubt!“
Die alten Masken blieben im Schrank,
in Italien wurden bald Tausende krank.
Wuhan in China, das schien ja so fern.
Asiaten mit Masken? Ein fremder Stern!
Die sind das gewohnt, was schert uns das hier.
Ist deren Sache und nicht unser Bier.
Doch wesentlich schneller als wir gedacht,
hat sich Corona aufgemacht,
reist unsichtbar mit als „Handgepäck“
über die Ländergrenzen hinweg,
Man weiß ja, es leben die meisten Viren
zunächst offensichtlich auf Pflanzen und Tieren.
Die hat der Mensch oft umgebracht,
sich selbst zum Viren- Wirt gemacht.
Nun trägt er die Viren mit sich um die Welt,
an fast jeden Ort, der ihm grade gefällt.
Ja, unsere Erde ist heute global –
für Viren ist das einfach phänomenal.
So kam Corona schließlich dann
in Bayern und im Rheinland an.
Für viele war das äußerst fatal,
so mitten im fröhlichen Karneval,
wo hinter den Masken sie haben’s getrieben.
Im Karneval kann man ganz ungehemmt lieben!
Das war für Corona recht angenehm
und seine Verbreitung nun doppelt bequem.
Corona liebt Nähe, Corona liebt Enge.
Corona reist weiter im Menschengedränge.
Doch mit dem Karneval war es jetzt aus,
man schickte die Leute ganz einfach nach Haus.
Statt weiter vergnügt sich zu verführen,
führt hinter den Masken man Krieg gegen Viren.
Corona selbst konnte schnell weiterwandern
durchs ganze Land und zu vielen andern.
Man soll nun zum Schutz in Corona- Tagen
auf jeden Fall eine Maske tragen.
So wurden die Masken allmählich beliebt,
nur schade, dass leider es keine mehr gibt.
Es wurden Masken sogar geklaut.
Wem hätte man bisher das zugetraut?
Für einige Menschen, getrieben von Gier,
kommt immer zuerst das ICH vor dem WIR.
Bald fehlen die Masken in steigender Zahl
vor allem in manch einem Krankensaal.
Jetzt kann man im ganzen Lande sehen,
dass Leute sich selbst eigne Masken nähen.
Mit Stoffen und Bändern aus ihrer Kommode
wird nun die Maske zur neuesten Mode.
„Do it yourself“, ist ganz ohne Frage
ein Motto unsrer Corona- Tage.
Nicht nur die Maske vorm Gesicht,
es machen alle alles dicht.
Kein Kino, kein Theater mehr,
die Schulen bleiben vorerst leer.
Wir haben’s teilweise selbst verbockt,
dass jeder alleine zu Hause hockt.
An vielem haben wir selber die Schuld,
sie brauchen mit uns ja wirklich Geduld,
die Pflanzen, die Tiere, die ganze Natur.
Wir – Egoisten in Reinkultur –
wir suchen noch immer nach Beweisen
und sollten sie endlich herunterreißen,
die Maske Selbstgerechtigkeit.
Ja Leute, es wird langsam Zeit!

Hannes

Mein Nachbar heißt Meier,
der von gleich nebenan,
Meier steht an der Klingel
ein beliebiger Mann.

Hab ihn selten gesehen
In den letzten zehn Jahren.
Das ist ziemlich normal hier,
musst zur Arbeit ja fahren.

Wohn schon lange im Hochhaus,
1. Stock, in Marzahn.
Was ich tue und lasse,
das geht keinen was an.

Seit Corona gekommen,
bleib ich meistens zu Haus,
sitze vor dem Computer
und geh selten nur raus.

Meinen kleinen Balkon
werd ich diesmal bepflanzen,
hab ihn kaum noch benutzt,
denn ich ging lieber tanzen.

Der Balkon von dem Meier
ist dem meinen sehr dicht,
könnte glatt auf ihn spucken,
doch das tut man ja nicht.

Eines Tags im April
ist es schließlich geschehen,
ich stand auf dem Balkon,
hab den Meier gesehen.

Fast so schön wie Apoll
stand er da, dieser Mann,
machte Yoga im Freien,
hatte sehr wenig an.

Und er hat mich gefragt,
ob zu Hause ich bleibe,
ob ich Home Office mache
und was sonst ich so treibe.

Seitdem machen wir beide
jeden Morgen um sieben
hier gemeinschaftlich Sport,
bin im Bett sonst geblieben.

Mein Nachbar heißt Hannes
und ich hab mich verliebt,
habe gar nicht gedacht,
dass es sowas noch gibt.

In ihren Klaus (LIS 69/1) hat sich Andrea allerdings schon 1970 an der Hochschule verliebt. Seit 47 Jahren sind sie glücklich verheiratet.