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Unsere „Hopla“

Autor: Peter Grabley

Dr. Peter Grabley (Jahrgang 1931) wurde 1951 immatrikuliert und berichtet vom studentischen Leben in den Anfangsjahren der Hochschule für Ökonomie (HfÖ).

Unsere Hochschule wurde als Hochschule für Planökonomie gegründet, bei den Studenten und umgangssprachlich wurde daraus die „Hopla“.
Meine Frau Hanna und ich waren in allen Jahren unserer Berufstätigkeit eng mit der Hochschule verbunden. Hanna promovierte und habilitierte an ihr und erhielt eine Professur am Institut für Arbeitsökonomie. Ich promovierte 1962 als Externer ebenfalls an unserer Hochschule.
Ursprünglich hatten wir andere Studienabsichten, Hanna wollte Slawistik studieren, ich Chemie und unser Freund Klaus Wolff wollte Architekt werden. Der Stellvertreter von Heinrich Rau, Paul Strassenberger, warb an unserer Internatsschule für die neu eröffnete Hochschule, die Kader für die sozialistische Volkswirtschaft ausbilden sollte. Dem Ruf folgten wir. Am 01.09.1951 waren wir in Karlshorst Studenten.
Es ist noch heute der Mut und die Zuversicht von Eva Altmann (17.1.1903 – 1.3.1991) zu bewundern, die mit vier Professoren, die meist aus der Emigration zurückgekehrt waren (Hans Schaul – Staat und Recht, Rudolf Lindau – Geschichte der Arbeiterbewegung, Hans Mottek – Wirtschaftsgeschichte, Bruno Warnke – Politische Ökonomie), und einer Handvoll junger Assistenten in den Räumen des ehemaligen Gymnasiums den Lehrbetrieb aufnahm. (Eva Altmann hatte vor 1933 Wirtschaftswissenschaften studiert und bei Werner Sombart mit einem Thema zur Werttheorie von Marx promoviert.)
Die Studenten kamen zum Teil aus dem Berufsleben, von der Arbeiter- und Bauern-Fakultät (ABF) oder wie in unserem Fall von den Oberschulen. Diese Mischung erwies sich für das Studium als außerordentlich produktiv. Das Studium war anstrengend, es herrschte eine hohe Studiendisziplin, die auch durch das skurrile kollektive Selbststudium im 1. Studienjahr nicht beschädigt war. Wir wollten lernen.
Wir genossen eine gute solide Ausbildung. Grundlage war das gründliche Studium der politischen Ökonomie, vor allem des „Kapital“ von Marx und der Schriften von Friedrich Engels. Sie festigten auch unser sozialistisches Weltbild, das uns bis heute trägt. Studienplan und verfügbare Zeit sahen nicht vor, auch andere wissenschaftliche Theorien kennen zu lernen. Erst später weitete sich der Blickwinkel um solche Disziplinen wie z.B. Kybernetik, Organisationswissenschaften oder mathematische Methoden in der Ökonomie.
Wir hatten ideale materielle Studienbedingungen: Stipendien mit leistungsabhängiger Steigerung, eine gute Vollverpflegung (in einer Zeit in der es zunächst noch Lebensmittelkarten gab), Unterbringung in einem modernen Wohnheim (das ab Ende des 1. Studienjahrs zur Verfügung stand) ebenso, wie eine Wochen-Krippe für die ersten Studentenkinder, zu denen auch bald unsere Tochter Petra gehörte.
Dabei waren wir „Insassen des roten Klosters“ – wie unsere Hochschule auch spöttisch von anderen Universitäten genannt wurde – nicht weltfremd sondern auch kritisch. Ich erinnere mich an nächtelange Diskussionen ebenso wie an eine Veranstaltung im Keller-Hörsaal, auf der Bruno Leuschner und die Leitung der Staatlichen Plankommission mit den Studenten diskutierte und sich ihren Fragen stellte, sicher auch um Dampf aus erhitzten Studenten-Gemütern abzulassen.
Unser Studentenleben war alles andere als bierernst.
Die Aufbauschichten zum Enttrümmern der Stalinallee (25 Halbschichten zu je drei Stunden) oder im Tierpark gehörten ebenso selbstverständlich dazu wie zahlreiche kulturelle Aktivitäten. Das Kulturensemble der Hochschule mit Chor und Tanzgruppe stand erfolgreich im Wettbewerb mit dem Ensemble der viel größeren Humboldt-Universität, es gab den Segelsport mit einem eigenen Bootshaus in Rauchfangswerder, eine Motorsportgruppe (zunächst mit AWO -Krädern, die Eva Altmann aus eigener Tasche finanziert hatte ). Daraus gingen später mit Walter Becker und Siegfried Leiterer auf MZ-Maschinen erfolgreiche Teilnehmer an den internationalen „Six Days“ in England hervor. Und es gab eine Kabarettgruppe, das „SatKo“ – später „die Brechbohnen“ -, in der ich aktiv mitwirkte.

1952: Erster Auftritt des Kabaretts „SatKo“ (Satirisches Kollektiv) (finger)

1. von links: Horst Spitalny (später Abteilungsleiter in der Staatlichen Plankommission)
3. von links: Rudolf Gerisch (später Professor am Zentralinstitut für sozialistische Wirtschaftsführung)
1. von rechts: Peter Grabley (später Staatssekretär und Chef des Bereiches Außenwirtschaft der Staatlichen Plankommission)

Auch große Faschingsveranstaltungen gehörten selbstverständlich zur studentischen Tradition. 1955 hatte unser Jahrgang als „Abschiedsgeschenk“ sogar die Sporthalle in der Stalinallee mit ca. 1300 Plätzen gemietet und den Transport von Karlshorst zum Ostbahnhof in Sonderzügen der S-Bahn organisiert. Zum Tanz spielten die damals bekannten Orchester „Kurt Henkels“ und „Alfons Wonneberg und seine Solisten“ auf.
Es waren erlebnisreiche und inhaltsreiche Jahre unserer Studienzeit, an die wir gerne zurückdenken und die uns Wissen und Kraft in unserer späteren beruflichen Tätigkeit gegeben haben.
Das danken wir unserer „Hopla“.