Autor: Hans-Dieter Belter
Dr. Hans-Dieter Belter (VW 67/2) hat sich bereits im Studium mit einem Thema beschäftigt, das sein weiteres Berufsleben geprägt hat: die Schnittstelle von Technologie und Wirtschaft. Er war in zwei Systemen auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technik tätig und hat federführend das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) gestaltet und umgesetzt.
Nach dem obligatorischen Kartoffeleinsatz begann am 1. Oktober 1967 mein Studium der Volkswirtschaft an der HfÖ. Aus meinem Studium, das durch Hochschulreformen und neue Bezeichnungen geprägt war, möchte ich vier Höhepunkte hervorheben.
1. Das meiste nutzbare Wissen wurde mir in den Vorlesungen und Seminaren von Prof. Karl Neelsen zur Politischen Ökonomie des Kapitalismus vermittelt. Davon konnte ich auch nach der Wende am meisten profitieren.
2. Meine Diplomarbeit – zusammen mit Gunter Götze und Wolfgang Schäffer – an der Sektion ÖSS zur „Ermittlung des volkswirtschaftlichen Nutzens des Einsatzes von Polyurethanen in verschiedenen Industriezweigen und Schlussfolgerungen für die Regelungen zur Nutzensteilung“ (Praxispartner: Synthesewerk Schwarzheide, HfÖ-Betreuerin: Dr. Sigrid Behr) war eine spannende Aufgabe. Die Nahtstelle von neuer Technik und Ökonomie sollte mein Berufsleben prägen. Dies war 1971 gleichzeitig die erste Phase meines 1970 begonnenen Forschungsstudiums.
3. Meine Dissertation – im Kollektiv wieder mit den beiden vorgenannten Kommilitonen – schrieb ich zum Thema „Aufbau und Anwendung mehrsektoraler dynamischer ökonometrischer Modelle“. Betreuer an der HfÖ war Dr. Alfred Molitor, Gutachter Prof. Hans Schönherr. Dies war eine Auftragsarbeit der Staatlichen Plankommission (SPK), mit der ich einen Vorvertrag hatte. Deren Gutachter war Dr. Klaus Zeitz. Ende April 1974 – da arbeite ich bereits im Transformatorenwerk Oberspree (TRO) als „Fachplaner Neue Technik“ konnten wir die Arbeit erfolgreich verteidigen. Eine Woche später wurde ich zur NVA eingezogen. Mein Wehrkreiskommando hatte sich jeden Sommer gemeldet mit „Egal wie lange Sie noch studieren, wir kriegen Sie noch!“
4. Im Oktober 1969 lernte ich bei einer Wochenendschulung der FDJ in Papstdorf (Sächsische Schweiz) meine Frau, die gerade ihr Studium an der HfÖ begonnen hatte, kennen und lieben. Dieses Jahr feiern wir unsere Goldene Hochzeit.
Nach dem TRO arbeitete ich in der SPK zu Fragen der Planung und Leitung, insbesondere auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technik. 1990 wechselte ich ins Ministerium für Forschung und Technologie der DDR und gestaltete als Referatsleiter nach dem Beispiel der Bundesrepublik die ersten Förderprogramme für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), die bis Mitte der 90er Jahre so weiterliefen.
Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik kamen erst unsichere berufliche Wochen, doch Ende Oktober 1990 gehörte ich zu den etwa 10%, die vom Bundesministerium für Forschung und Technologie (bzw. deren nachgeordneten Einrichtungen) übernommen wurden; zu meinem Glück auch noch in die Berliner Außenstelle. Hier und ab 1998 im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie war ich aktiv bei der Gestaltung einer Reihe von KMU-Förderprogrammen, speziell zur Kooperation von KMU und Forschungseinrichtungen, beteiligt. In dieser Zeit lernte ich zehn verschiedene Bundesminister kennen. Auch merkte ich, dass die Gesetze der Bürokratie überall gleich sind und die Herren Murphy und Peter in vielen Sachen Recht haben. Aus der Grußformel „Mit sozialistischen Grüßen“ wurde in einigen FDP-Jahren „Mit liberalen Grüßen“.
2005 fasste ich mehrere Förderansätze zusammen und entwickelte das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM), das bis heute noch das Flaggschiff der deutschen KMU-Förderung ist. Das Programm wurde mit der Diesel-Medaille als beste und unbürokratischste Innovationsförderung ausgezeichnet. 500 Mio. € Fördermittel für 4000 Projekte waren in meiner Zeit das Maß. 2010 wurde ich im BMWi nach 20 Jahren wieder Referatsleiter und Ministerialrat. Meine zahlreichen Vorträge und Auftritte in der Öffentlichkeit brachten mir von Journalisten den Namen „Mr. ZIM“ ein. 2013 ging ich nach 40 Jahren Arbeit an der Schnittstelle von Technologie und Wirtschaft in Pension.
Eine Episode zum Schluss:
Mitte der 90er Jahre war ich mit einem West-Kollegen bei einer Veranstaltung in Heilbronn, bei der wir auch nach unserer Ausbildung gefragt wurden. Wir nannten unsere Dissertationsthemen, seins lautete: „Die politische Beeinflussung der DDR-Bevölkerung durch das SED-Parteilehrjahr“. Für die Teilnehmer war klar, das SED-Thema könne nur meins sein und überhaupt könne man zur Ökonometrie nur in Bonn studiert haben. Groß war das Erstaunen und die Verwunderung, dass es genau anders herum war (mein Kollege galt an der Uni Erlangen als „Ost-Experte“) und ich sagen konnte, das Ökonometrie-Thema war meins und ich habe in Ost-Berlin an der Hochschule für Ökonomie promoviert.
Da konnte ich wieder stolz sein auf mein Studium an der HfÖ.