Autor: Peter: Donhauser
Dipl. oec. Peter Donhauser (AW 58) hat aktiv zum guten Ruf der Volleyballmannschaften der HfÖ beigetragen, unter anderem als Leiter der Sektion Volleyball der HSG Wissenschaft Karlshorst (1959 – 1961). Nach dem Studium hat er zunächst viele Jahre im Außenhandelsbetrieb (AHB) Maschinen-Export gearbeitet und war dann von 1981 bis 1990 Generaldirektor des AHB Schienenfahrzeuge.
Bis nach dem Ende des 2. Weltkrieges war Volleyball in Deutschland eine weitestgehend unbekannte Sportart. Einen entscheidenden Impuls erhielt diese Sportart in der DDR mit den Weltfestspielen 1951 in Berlin. Sowjetische und osteuropäische Mannschaften begeisterten das junge, sportinteressierte Publikum. Danach eroberte der Volleyballsport zunächst Universitäten und Schulen, so auch die neu gegründete Hochschule für Planökonomie in Berlin-Karlshorst. Urkunden aus den Jahren 1952, 1953 und 1955 bestätigen erste. und zweite Plätze im Rahmen von Berliner Meisterschaften.
Große Impulse erhielt der Volleyballsport an der Hochschule mit dem Dienstbeginn von Rolf „Rolli“ Kunze als Sportlehrer und Spielertrainer. Er kam nach seinem Studium an der Universität in Jena Mitte der 50er Jahre nach Karlshorst. Aus sportlichen Studenten, Lehrkräften und wenigen Externen formte er im Männerbereich eine Spitzenmannschaft, die viele Jahre zu den zehn besten Mannschaften der DDR gehörte. Zu den Leistungsträgern dieser Mannschaft gehörten u. a. die Studenten Ulli Kiewel, langjähriger Mannschaftskapitän, Claus Nitzsche, Ferry Binder und Eberhard Siewert. Aus Lottomitteln wurden neben der Turnhalle im Hochschulgelände ein Volleyball- und ein Basketballplatz angelegt. Heute ist kaum noch vorstellbar, dass alle Punktspiele – auch in der Oberliga – im Freien stattfanden. Ein Grund dafür waren sicher die fehlenden oder ungeeigneten Turnhallen. Außerdem schufen sich sportbegeisterte Studenten als Freizeitsportler einen Volleyballplatz im Internatsgelände, der stark frequentiert wurde.
Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre bildeten ca. zwölf Männermannschaften die DDR-Spitze, dazu zählten die Sportclubs SC Rotation und DHfK Leipzig, SC Dynamo und SC Rotation Berlin, SC Traktor Schwerin, die Universitätsmannschaften Wissenschaft Greifswald und Karlshorst, die HSG TU Dresden sowie SC Chemie Halle, Stahl Eisleben, Stahl Freital und Dynamo Karl-Marx-Stadt. Da die Oberliga nur aus zehn Mannschaften gebildet wurde, gab es einige sogenannte „Fahrstuhlmannschaften“, die nach Aufstieg und Wiederabstieg in der Oberliga oder der DDR-Liga spielten, dazu gehörte viele Jahre auch unsere HSG Wissenschaft Karlshorst. Anfang der 60er Jahre bildeten neben ehemaligen Studenten die aktuellen Studenten Manfred Rhode, Günter Hennig, Heiner Schoenermark, Dieter Heinrich, Rolf Wille, Peter Donhauser u. a. den Stamm der Mannschaft. Ergänzend spielten viele Jahre die Studenten der Humboldt-Universität Dieter Squarra und Johannes Breidung im Team. Auch die Externen Heinz Ullrich und Dieter Poßner gehörten viele Jahre zu den Stützen der Mannschaft. Als die Punktspiele dauerhaft in die Halle verlegt wurden, erwiesen sich viele Hallen aus heutiger Sicht als kaum tauglich: zu niedrig und kaum Auslauf an den Seiten und am Spielfeldende. Für die damals das extrem hohe Zuspiel pflegenden Club-Mannschaften war unsere Halle ein Gräuel, wir fühlten uns aber heimisch darin.
Die Sektion Volleyball war damals eine der größten Sektionen der HSG Wissenschaft Karlshorst. Es gab fünf Mannschaften im aktiven Punktspielbetrieb. Das waren: die 1. Männermannschaft in der Oberliga oder DDR-Liga, die 1. Frauenmannschaft in der DDR-Liga, die 2. und 3. Männermannschaft in der Berliner Bezirksliga bzw. Kreisklasse sowie die 2. Damenmannschaft in der Bezirksliga. Die meisten Spielerinnen und Spieler studierten an der HfÖ, nur die Zusammensetzung der 1. Herren- und Damenmannschaft war etwas anders. Die 1. Herrenmannschaft wurde im Kern gebildet von ehemaligen Studenten und aktuellen Studenten der HfÖ, verstärkt durch einzelne Studenten der Humboldt-Universität und Externe. Die 1. Damenmannschaft hatte als Kern eine ehemalige Jugendmannschaft, die Rolli Kunze in Schöneweide betreut hatte, verstärkt durch wenige Lehrkräfte und Studentinnen der HfÖ, auch hier gab es zunächst wenig andere Externe. Die Zusammensetzung beider Mannschaften sollte sich in den 60er Jahren ändern, doch dazu später.
Für alle Aktivitäten stand ein Jahresbudget von weniger als 10.000 Mark zur Verfügung. Davon finanziert wurden die Fahrten zu den Auswärtsspielen, neben moderaten Hotel- und Fahrkosten gab es eine Aufwandsentschädigung pro Tag und Spieler von 5 Mark. Finanziert wurden aus diesem Budget die Spielbekleidung für alle Mannschaften und Sportgeräte wie Netze und Bälle. Dazu eine nette Geschichte: bei einer Polen-Reise nutzten wir das Preisgefälle bei einzelnen Produkten. Wir nahmen unseren Gastgebern ein Akkordeon mit – Kosten in der DDR 400 Mark, aber in Polen 800 Mark. Dafür kauften wir Volleybälle in Polen – 80 Mark in der DDR, 50 Mark in vergleichbarer Spitzenqualität in Polen pro Stück. Für die eingesetzten 400 Mark hätten wir zu Hause ganze fünf Volleybälle erwerben können, aus Polen kehrten wir mit 16 neuen Bällen zurück. Bei unserem Jahresbudget muss man aber erwähnen, dass wir keine Hallenkosten bezahlen mussten und unser Trainer Rolli sein sicher nicht üppiges Gehalt als Sportlehrer von der Hochschule erhielt.
Neben den Punktspielen waren unsere 1. Mannschaften begehrte Partner für Trainingsspiele, Freundschaftsspiele, Sportfeste und Universitätsjubiläen. So konnten wir 1956 am Sportfest der Universität Greifswald zum 500-jährigen Universitätsjubiläum und 1958 am Sportfest der KMU Leipzig zum 550. Gründungsjubiläum teilnehmen. Interessant war für uns, dass in Leipzig am Treffen der Leichtathleten eine Reihe von Teilnehmern aus Ost und West an den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne an den Start gingen. Mehrfach weilten wir zu Wettkämpfen in Polen, so 1964 zum 600. Jubiläum der Universität Krakau, 1965 als Berliner Stadtauswahl Wissenschaft Karlshorst mit Spielern vom SC Dynamo Berlin, die nicht in der Nationalmannschaft spielten, und 1968 zu einem Sportfest der Landwirtschaftshochschule Olsztyn. Die Teilnahme an weiteren Turnieren im Ausland erfolgte Ende der 60er Jahre im jugoslawischen Maribor, in Sokolov in der ČSSR und in Bulgarien. Zu Freundschaftsspielen in unserer Halle empfingen wir unter anderem die ungarische Mannschaft von Vasas Budapest, die holländische Mannschaft Cito Zeist und die im Aufbau befindliche algerische Nationalmannschaft.
1969 wurde die 1. Männermannschaft erstmalig Gewinner des FDGB-Pokals, allerdings wurde dieser Wettbewerb ohne die Spitzenclubs ausgetragen, was den Erfolg aber nicht mindern soll. Einziger Wermutstropfen: unter den zwölf erfolgreichen Spielern gab es keinen Studenten mehr.
Weitere Erfolge: 1962 wurde unsere Hochschulstudentenauswahl Vizemeister bei den DDR-Studentenmeisterschaften in Jena hinter der Mannschaft der DHfK, unsere 2. Männermannschaft wurde 1961 und 1962 Berliner Meister und spielte zeitweise nach erkämpftem Aufstieg in der DDR-Liga.
Höhepunkte für uns waren damals die Teilnahmen an Sportfesten der österreichischen Meistermannschaft ÖMV Blau-Gelb Wien im März 1960 und im Juli 1961. Die österreichischen Spitzenmannsaften hatten in etwa das gleiche Niveau wie die unteren Mannschaften der DDR-Oberliga und der Verband wählte die HSG Wissenschaft Karlshorst als DDR-Vertreter an diesen Sportfesten aus, ein einmaliges Erlebnis für alle Beteiligten, als Reisen ins Ausland noch Seltenheitswert hatten.
Die Mannschaft der HSG Wissenschaft Karlshorst, die 1961 als DDR-Vertreter zum Sportfest nach Wien fuhr:
Ulli Kiewel, Heiner Schönermark, Claus Nitzsche, Peter Donhauser, Manfred Rohde, Günter Hennig, Dieter Heinrich, Dieter Squarra, Bernd Gohnert (v. l.)
Beim Sportfest 1961 wurde das Leistungsniveau von der jugoslawischen Mannschaft Branik Maribor bestimmt, die das Niveau der DDR-Spitzenmannschaften hatte und Turniersieger wurde. Natürlich erfolgten Gegeneinladungen in die DDR und die Damen- und Herrenmannschaften aus Wien waren zweimal unsere Gäste zu Turnieren in Karlshorst.
Auch zu den sowjetischen Partnern im damals noch mit einem Zaun abgegrenzten Diplomatenwohngebiet in Karlshorst pflegten wir enge Beziehungen. Es gab mehrfach offizielle Wettkämpfe gegen Mannschaften aus dem sowjetischen Wohnviertel. Wenn das erste Spiel verloren ging, bat die sowjetische Mannschaft um ein Revanchespiel. Zu diesem wurden dann Verstärkungen aus Wünsdorf oder Elstal „eingeflogen“, und natürlich gewann dann die sowjetische Mannschaft. Aber auch im Freizeitbereich gab es diese Kontakte. Wir spielten mehrfach im eingezäunten Diplomatenviertel, dass von DDR-Grenzern bewacht wurde. Um hinein zu gelangen, organisierten unsere sowjetischen Sportfreunde einige PKW mit Diplomatenkennzeichen, die nicht kontrolliert werden durften. Aber irgendwie ist die Sache aufgeflogen. Mitten im Spiel wurden wir von den DDR-Grenzsoldaten abgeführt und aufgefordert, sofort das Gelände zu verlassen, aber ohne weitere Folgen. In den 60er Jahren bekam unsere 1. Männermannschaft Verstärkung aus Nowosibirsk. Ein sowjetischer Aspirant an der HfÖ – Oleg – erwies sich als Spitzenspieler und war für einige Zeit eine willkommene Verstärkung für unsere Mannschaft.
Ende der 60er Jahre trat dann ein entscheidender Wandel für die 1. Mannschaften ein. Das allgemeine Leistungsniveau war wesentlich gestiegen, und nur mit Studenten konnte das erreichte Niveau nicht mehr gehalten werden. Die Lösung war sowohl im Damen- als auch im Herrenbereich die Eingliederung von Spielern und Spielerinnen des SC Dynamo und TSC Berlin, die aus Leistungsgründen den Ansprüchen dieser Clubs nicht mehr genügten, aber für Karlshorst eine wesentliche Verstärkung bedeuteten. Leider gingen aber damit der studentische Charakter, der früher herrschende Teamgeist und der Mannschaftszusammenhalt verloren. Es wurden aber weitere beachtliche Erfolge bei Punkt- und Pokalspielen unterhalb der Leistungsgruppe der Sportclubs erreicht. Die ehemaligen Studenten zogen sich in die 2. Männermannschaft zurück und konnten bis Mitte der 70er Jahre eine gute Rolle in der DDR-Liga spielen. Erstaunlicherweise glich die jahrelange Spielerfahrung die fehlenden athletischen Potenzen aus.
So sind noch heute für viele damalige Spieler die Karlshorster Jahre in bester Erinnerung, sowohl was die sportlichen Erfolge als auch die vielen schönen gemeinsamen Erlebnisse betrifft. Einige dieser Protagonisten treffen sich noch heute einmal im Jahr zu einer Traditionsveranstaltung unter dem Motto: „Weißt du noch?“
Allen gemeinsam ist die bleibende Erinnerung an Rolli Kunze, er hat über Jahrzehnte Ansehen und Wertschätzung der Sektion Volleyball der HSG Wissenschaft Karlshorst geprägt.