Autor: Frank Haustein
Dr. Frank Haustein (ST 65/1) war nach dem Studium u. a. in den Wissenschaftsbereichen Operationsforschung und Statistik tätig. Er hat ein Faible für das Sammeln und Archivieren von Dokumenten und Fotos und kann anhand dieser Zeitzeugnisse seinen Kindern und Enkeln veranschaulichen, was sich in so kurzer Zeit von 55 Jahren und weniger verändert hat. Er nimmt uns mit auf eine kurze faszinierende Zeitreise.
Wohnen im Internat in der Hermann-Duncker-Straße
Mit Beginn des Studiums zogen wir zu viert in unser Internatszimmer 109 im Internatsgebäude A IV ein. Ich schätze mal, dass unser Zimmer ca. 20 qm groß war. Es bot Platz für vier Betten, vier Regale, zwei Tische und zwei Schränke (oder war es nur ein Schrank?). Hier wohnten wir vier Jahre. Die Toiletten und Waschräume waren auf dem Flur. Duschen gab es im Keller. Diese waren oft sehr verschmutzt und ohne Armaturen. Armaturen waren Mangelware und wurden daher häufig „mitgehen gelassen.“. Der Internatsplatz hat meiner Erinnerung nach 11 Mark gekostet. In diesem Preis enthalten war auch der monatliche Tausch der Bettwäsche und monatlich eine Rolle Toilettenpapier.
Die Vollverpflegung in der Mensa, kostete 2,55 Mark/Tag. Dafür gab es Frühstück, Mittagessen und Abendbrot, anfangs auch am Sonntag. Bei Abwesenheit konnte man das „Monatsabo“ verringern. Das ist natürlich in Relation zum Stipendium zu sehen. Da ich darüber keine konkreten Erinnerungen mehr hatte, habe ich bei meinen Kommilitonen nachgefragt und folgende Antwort erhalten: „Das Grundstipendium: war wohl 190 oder 205 Mark, in Abhängigkeit vom sozialen Status und vom Einkommen der Eltern, aber eventuell auch weniger (140 Mark + 15 Mark Berlinzuschlag. Außerdem gab es Zuschläge für diejenigen, die sich zuvor für drei Jahr bei der Nationalen Volksarmee (NVA) verpflichtet hatten (90 Mark).“ (Gerne nehme ich präzisierende Erinnerungen entgegen.)
Das alles ist heute wohl unvorstellbar.
Ich aber möchte meine Internatszeit nicht missen.
1968 – der Desinfektionsschein
Wie schon erwähnt waren die hygienischen Verhältnisse im Internat, insbesondere in den Sanitärtrakten, nicht besonders gut. Es kam immer wieder zu Befall mit Schaben. Dieser Ungezieferbefall war 1968 besonders schlimm. Daher wurde während der Sommerferien das gesamte Internatsgelände abgeriegelt und desinfiziert. Die Internatsbewohner erhielten damals einen Desinfektionsschein, mit dem sie nach Rückkehr aus den Semesterferien ihre persönlichen Gegenstände wieder entgegennehmen konnten.
1969 Einstellung des Unterrichts wegen anhaltender Frostperiode
Zu Beginn des Jahres 1969 gab es eine lang anhaltende Frostperiode. Die Beheizung der Hochschule musste wegen Brennstoffknappheit auf ein Minimum reduziert werden. Ich erinnere mich, wie wir mit Wintermänteln und klammen Fingern zur Vorlesung in die Aula und in die Seminarräume kamen. Schließlich musste der Unterricht ganz eingestellt werden. So konnte wenigstens gesichert werden, dass die Internate beheizt wurden. Das Direktorat für Erziehung und Ausbildung (damaliger Direktor war Prof. Dr. Peter Stier) und die HSGL der FDJ (damaliger HSGL-Sekretär war Friedbert Sammler) informierten die Studentenschaft mit nebenstehendem Schreiben:
Telekommunikation gestern und heute
Ohne Telekommunikation geht heute gar nichts mehr. Es ist noch gar nicht so lange her, als selbst das Telefonieren ein Problem war, welches einen zum Verzweifeln bringen konnte. Ich selbst telefonierte das erste Mal in meinem Leben 1965, mit 19 Jahren, von einer Telefonzelle aus im Internatsgebäude A 4. Ein privater Telefonanschluss zuhause war ein Privileg. 1975 wurde für mich durch die Hochschulparteiorganisation ein Antrag auf solch einen privaten Telefonanschluss beim Fernsprechamt Groß Berlin der Deutschen Post gestellt.
Viel Zeit vergeudeten wir in der FDJ mit sinnlosen Marschübungen
Von 1970 bis 1973 war ich FDJ-Sektionssekretär an der Sektion Leitung, Informationsverarbeitung und Statistik (LIS). Das war für mich eine faszinierende Zeit gesellschaftlichen Engagements. In dieser Zeit fanden 1973 die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin statt. Diese Zeit möchte ich nicht missen .Eberhard Merten bemerkte in seinem Beitrag vom 7. März 2021 auf dieser Web seite, dass es mit dem Abstand von inzwischen über 30 Jahren auch vieles gab, was aus heutiger Sicht bezweifelt werden muss (vorsichtig formuliert). Dazu gehörten zweifellos die oftmaligen Marschübungen zur Huldigung der DDR-Führungsspitze. Es mutet wie aus einer fremden Zeit an, wenn ich mir das nachstehende „Dokument“ für solch eine Marschübung anschaue. Welch ein Blödsinn.
FDGB-Urlaubsplätze
Einfach mal so einen Urlaubsplatz buchen war nicht drin. FDGB-Urlaubsplätze mussten über die Abteilungsgewerkschaftsorganisation (AGO) bei der Hochschulgewerkschaftsorganisation beantragt werden. 1988 stellte ich für meine Familie einen solchen Antrag für einen Urlaub in Crottendorf im Erzgebirge. Der Antrag wurde leider abgelehnt. Urlaubsplätze waren halt rar.
Informationsverarbeitung – so war es damals in der zweiten Hälfte der 1980-er Jahre
Mein damaliger Wissenschaftsbereich (WB) Statistik war im Internatskomplex im Gebäude A II in der Herrmann-Duncker-Straße untergebracht. Im Raum 39 standen uns 1985 ganze drei Mikrorechner mit je 64 K Byte Hauptspeicher zur Verfügung. Die Nutzung war limitiert und durch die nebenstehende Nutzungsordnung geregelt.
Für diese Rechner programmierten wir damals in der Programmiersprache BASIC unsere „Statistikprogramme“. Ich erstellte das BASIC-Programm für Regressions- und Korrelations-berechnungen. Als ich an der Programmierung arbeitete hatte ich versäumt, Zwischenergebnisse abzuspeichern. Aus irgendwelchen Gründen schraubte in genau dieser Zeit der Hausmeister in A 2 die Hauptsicherung raus. Die Arbeit von drei Stunden war hin. Die Datenspeicherung erfolgte übrigens auf störanfälligen Datenkassetten.
1988 gab es dann schon ein Mikrorechnerkabinett, der mit PC 1715 Rechnern ausgestattet. Auch dafür benötigte ich eine Nutzerberechtigung. Die Dateneingabe erfolgte hier über Disketten. Da im WB Statistik Disketten nur in sehr beschränktem Umfang zur Verfügung standen, war ich bemüht, mir privat welche zu beschaffen. Damals war ich ehrenamtlich Vizepräsident des DDR-Hockeysportverbandes (DHSV) und nahm in dieser Eigenschaft Ende 1986 am Weltkongress der FIH in Brüssel teil. Das war eine gute Gelegenheit, um in Brüssel Disketten zu erwerben. Für den Aufenthalt von drei Tagen in Brüssel (einschließlich An- und Abreisetag) wurde ich vom DTSB mit 535 DM ausgestattet, 400 DM für Übernachtung im Tagungshotel und 135 DM Tagegeld; vor allen Dingen auch für Verpflegung gedacht. Um Disketten kaufen zu können sparte ich an der Verpflegung. Ich war glücklich, auf diese Weise für meine Arbeit Disketten kaufen zu können. (Für einen ebenfalls ins Auge gefassten Sharp-Taschenrechner reichte das Tagegeld nicht. Der gewünschte Sharp-Taschenrechner kostete stolze 309 DM).
Ich blättere hin und wieder gerne einmal in meinem Dokumentenarchiv. Es legt Zeugnis darüber ab, wie rasant sich in historisch so kurzer Zeit unser „Alltagsleben“ verändert hat.